Schule im Lockdown = 8 Stunden Video-Unterricht?

Das muss nicht sein! Im Folgenden stellen wir 10 Möglichkeiten vor, Schule im Lockdown weiterzudenken.

Diese Sammlung soll als Gedankenanregung, Impuls zum Austausch und Brainstorming zu Aspekten des Fernunterrichts dienen. Dieser Beitrag erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit und ist für uns Impuls zu neuen Artikeln in der Folge.

1. Vorsicht “Zoom Fatigue”- Schon einmal gehört?

Der erste Lockdown hat eine neues Phänomen hervorgebracht, die “Zoom-Fatigue”, zusammengefasst eine Bezeichnung für eine Ermüdungs-oder Überforderungserscheinung, die einherzugehen scheint mit unzähligen Videokonferenzen, virtuellen Spieleabenden etc.Woran mag das liegen? 
Nun einerseits ist dies der Tatsache geschuldet, zumindest bei eingeschalteter Kamera, das Gefühl zu haben unter dauerhafter Beobachtung zu stehen. Für Lehrkräfte, die den ganzen Tag vor dunklen Bildschirmen sitzen, ist dies besonders anstrengend, da es an Rückmeldung seitens der Schüler:innen fehlt. In Videokonferenzen fehlen nonverbale Hinweise, Mimik und Gestik sind schwer zu deuten, Körpersprache kaum zu lesen. Das ist anstregend und verbraucht Energie. Andererseits hat man als Zuhörer oder Zuschauer das Gefühl dauerhaft aufmerksam sein zu müssen, um nichts zu verpassen.  Dass es sich also bei einer Videokonferenz nur um eine Art Fernsehen handelt, von dem man sich berieseln lassen kann, ist ein Irrglaube.
Was hilft also gegen “Zoom-Fatigue” im Unterricht?

  • Abwechslungsreicher Unterricht
  • klare Struktur und Transparenz
  • Zeitangabe für geplanten Unterricht (maximal 60 Minuten)
  • bewusste gemeinsame Pausen
  • Kooperative Phasen zum Austausch einbauen
  • Der “together-Mode” in Teams 
  • nicht überziehen
  • Blinseln nicht vergessen 🙂

2. Wechsel zwischen synchronen und asynchronen Phasen

Synchrones Lernen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Lernende und Lehrende zur gleichen Zeit an gleichen Orten befinden und die Kommunikation (nahezu) ohne Zeitverzögerung abläuft. Dies ermöglicht Fragen oder auch Diskussionsbeiträge der Lernenden. Dies kann durch Diskussionen, gemeinsames Anschauen von Erklärvideos, Kahoots, Quizlets etc. umgesetzt werden.
Unter dem Begriff des asynchronen Lernens werden Lernprozesse zusammengefasst, bei denen die Kommunikation und Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zeitlich versetzt stattfindet (asynchrone Kommunikation). Schüler:innen lernen dann mithilfe (multimedialer) Lehrmaterialien, gegebenenfalls mit tutorieller Unterstützung (Teletutoring). Hier bieten sich u.a. im Vorfeld vorbereitete interaktive Lernmaterialien an.
Tipp: Hauptfächer treffen sich einen Block im Video-Unterricht, der zweite Block in der Woche wird asynchron gelernt und kann, kombiniert mit ausgelagerten Hausaufgaben, auch als flipped classroom gestaltet werden (siehe Beitrag zum Flipped Classroom).

3.Lernplan mit Assignment / Aufgaben Modul

Das Assignment /Aufgaben Modul in Teams bietet sich gut an, für ein Lernen mit einem Lernplan / Schritt-für-Schritt-Lernen. Aufgaben werden nacheinander erarbeitet. Auch kooperatives Arbeiten ist dadurch denkbar. Wie kann ein “gutes” Assignment aussehen?

  • “Warm-up” Aufgabe (z.B. Wiederholungen, Bilderbetrachtung…)
  • eigentliche Aufgabe mit Zeitangabe und Ort der Ergebnissicherung angeben
  • “Cool-Down” Aufgabe (z.B. “take-home-message” formulieren, ein Satz zum erreichten Lernziel, oder Abfrage über Mentimeter inwieweit angegebene Lernziele erreicht wurden)

4. Beziehung vor Inhalt

Motivationsprobleme im Lockdown, Streit mit den Geschwistern, Probleme mit den Eltern, Überforderung mit selbst organisiertem Lernen. Das kann ganz schön einsam machen. Daher gilt, die Begegnungszeit in synchronen Phasen vor allem der Beziehungsarbeit zu widmen. Der regelmäßige Kontakt zu den Schüler:innen ist von hoher Bedeutung für alle Beteiligten. Man kann den Kontakt der Schüler:innen untereinander fördern durch eingebaute Breakout-Phasen mit genügend Zeit zum Austausch (fachlich und nicht fachlich). Hilfreich sind Rituale zu Beginn der Unterrichtsstunde, aber auch in asynchronen Phasen, z.B. kann es helfen nicht nur die Aufgabe zu verschicken, sondern vielleicht einen Zeitplan mit einer bewussten Einstiegsphase mit “Aufwärmübungen”, der eigentlichen Aufgabe und einem “Cool Down”. Training fängt schließlich auch nicht direkt mit der Satzdurchführung an.
Ein schönes Beispiel “Nähe trotz Distanz”.

5. Kompetenzen schulen

Die Verwendung digitaler Tools bietet unzählige Optionen Lernprodukte und -prozesse sichtbar zu machen. Sie sind damit Grundlage für individuelle Feedbacks und ermöglichen allen Schüler:innen Reflexion der Lerninhalte und -Methoden. Gleichermaßen schult die Anwendung verschiedenster digitaler Tools Kompetenzen, die im “traditionellen” Unterricht nicht abgebildet werden können z.B das Erstellen eigener E-Books mit dem Bookcreator https://bookcreator.com/.

6. Kooperativ Arbeiten

Kooperatives Arbeiten ist nicht einfach nur Gruppenarbeit, sondern ermöglicht jeder Schüler:in eine aktive Beteiligung. In Breakout-Rooms können sie dazu angeregt werden, soziale und kommunikative Kompetenzen zu erwerben und Verantwortung für den Verlauf der kooperativen Phasen zu übernehmen. Dies wird z.B. mit sehr konkreten (und nachlesbaren) Arbeitsaufträgen für diese Phasen und einer Ergebnissicherung mit gegenseitigem peer-feedback erreicht. Folgende Werkzeuge können dies unterstützen: online ein gemeinsames mind-map erstellen, Ergebnisse über ein padlet sichern, gemeinsam kollaborative Texte verfassen (OneNote oder https://zumpad.zum.de/) , gemeinsames Betrachten geografischer Orte über Google Street View und Wegbeschreibungen formulieren etc. Die Möglichkeiten scheinen unendlich.

7. Abwechslung schaffen

Die reine Methodenvielfalt, immer noch ein Kriterium von “gelungenen” Lehrproben, hat zwar positive Auswirkungen auf die Schüler:innenzufriedenheit, nicht jedoch auf motivationale und kognitive Lernergebnisse. Die Erweiterung um kooperative Lernphasen (nicht nur in den synchronen Phasen, sondern auch asynchron begleitend) mit verschiedenen Lernpartner:innen, begleitendes Feedback und strukturierte Aufgaben (mit Ziel, Zeitangabe, “take-home-message”) und der transparente rote Faden können helfen, Abwechslung und Struktur im Sinne der Schüler:innenförderung zu ermöglichen.

8. Themenblock statt Einzelstunden

Schule unter Pandemiebedingungen steht unter besonderer Gefährdung, dass Inhalte ausgeblendet oder reduziert werden. Daher ist die Fachschaftsarbeit im Hintergrund ein mögliches Instrument für gemeinsame Absprachen zu zentralen Anforderungen des Faches, gemeinsames Vorbereiten von Unterrichtseinheiten und Materialien. Schüler:innen fällt es oft leichter, wenn sie einen roten Faden für eine Unterrichtseinheit haben, manchmal sogar welche Lernziele und Kompetenzen in den jeweiligen Stunden erreicht werden sollen.

9. Feedback braucht jeder

In der Hattie- Studie gehört Feedback zu den wirksamsten Faktoren des schulischen Erfolgs. Schade jedoch, dass in repräsentativen Umfragen des deutschen Schulportals (https://deutsches-schulportal.de/unterricht/das-deutsche-schulbarometer-spezial-corona-krise/) sehr unregelmäßiger Kontakt zu den Schüler:innen besteht oder Feedback fehlt. Es gibt aber Möglichkeiten, vor allem Digitale. Das Computermediierte Feedback z.B. im Teams Assignment enthält die Option des Feedbacks für eingereichte Aufgaben, ja sogar höchst transparente kriteriengestützte Rückmeldung im Bereich “Rubrik”. Dort können Inhalte, Gewichtungen, Abstufungen etc. angegeben werden. Eine wunderbare Möglichkeit, um z.B. Lernprogression zu fördern, wenn es um die gezielte Einübung von Methoden und Inhalten geht. Interessant ist auch, dass in einer Studie von Cho und MacArthur von 2010 festgestellt werden konnte, dass Peer-Feedback zu einem höheren Lernzuwachs führte als Expertenfeedback durch Lehrer:innen. Die Erstellung von interaktiven Inhalten z.B. mit https://h5p.org/oder auch https://learningapps.org/ ermöglicht direktes computerbasiertes Feedback.

10.Eltern sind keine Ersatzlehrer

Wenn die bereits vorgestellten Punkte berücksichtigt werden, dürfte das kein Problem sein. Manchmal kann es hilfreich sein, sich einfach in die Perspektive der Schüler:innen zu versetzen, sie nicht zu überfordern, weder inhaltlich noch zeitlich. Im Fernunterricht gilt die Devise “weniger ist manchmal mehr”. Es gilt die Schere zwischen stärkeren und schwächeren Schüler:innen nicht noch größer werden zu lassen. Digitale Tools und Lernumgebungen sind hierbei lediglich Hilfsmittel, die “Orchestrierung” aller notwendigen Komponenten für den schulischen Lernerfolg obliegt weiterhin der Lehrkraft und entlastet somit die Eltern.

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